
Tales
Sie blieb stehen, ignorierte das Saugen der Flüssigkeit an ihren Sandalen. Hitze machte ihrem Körper nichts aus. Einige Sekunden war es so still, dass man jeden Tropfen vergossenen Lebenssaft hätte flüstern hören können, wenn man ihm gelauscht hätte. Sie sah ihm unverwandt in die Augen.
„Schattenblut.“, flüsterte sie.
So wurde er genannt, dass war der Name der auf seinen Fluch folgte. Sie hatte vergessen wie er wirklich hieß, zu lange schon war sie auf der Jagd nach ihm. Zu lange hatte sie nur diesen Namen gehört. Er schloss die Augen. Jetzt! Mit einem einzigen Sprung kam er ihr entgegen, das Schwert zur Seite gestreckt, immer noch die Augen geschlossen. Sie sprang ihm entgegen, beide Schwerter gekreuzt. Ihre Haut begann zu leuchten, ihre vampirischen Züge wurden sichtbar.
Ihr sonst so goldenes Haar verlor die Farbe, es wurde so weiß wie frisch gefallener Schnee. Mit tödlicher Präzision riss er das Schwert herum, sie wehrte den Hieb ab. Mitten in der Luft standen sie einen Bruchteil von einer Sekunde still, als ihre Kräfte sich die Waage hielten und dieser Moment ihr einen tiefen Einblick in seine Augen gewährte.
Was hast du vor? Dann, von der Kraft seines Schlages zurückgestoßen, landete sie, stolperte über eine Leiche, rollte sich ab und musste sofort wieder seine Klinge abwehren. Obwohl er nur mit einer, sie aber mit zwei Schwertern kämpfte, war er wesentlich schneller und sie musste mit jedem Schlag beschleunigen. Trotz ihren Ausweichmanövern und der Taktik die Leichen als Schutzschilde zu verwenden. Dies sorgte dafür, dass er sich innerhalb weniger Augenblicke mit dem Blut der Toten beschmutze.
Schlimmer wäre es nur gewesen, wenn diese noch gelebt hätten. Seine Haut war gesprenkelt und seine Klinge troff bald von Blut. Sie wich zurück, suchte nach seinen Schwachstellen, hatte bereits mehrere Schnitte hinnehmen müssen, aber gab nicht auf.
Sie fauchte und biss in seine Hand. Er lachte nur, ließ das Schwert nicht fallen, sondern stieß sie von sich. Sie wurde gegen die nächste Hausmauer geschleudert. Ein paar Ziegel lösten sich vom Dach, so hart war die Wucht des Aufpralls.
„Du hast es so gewollt!“
Sie schleuderte sich ihm entgegen, aktivierte die Macht des Blutes. Ihre Katanas leuchteten auf, verschmolzen mit ihren Armen. Jetzt holte sie mit ihren Klauen aus. Überrascht taumelte er nach hinten, bevor er seine Deckung wieder hob, aber fünf blutige Striemen zogen sich bereits über seinen Oberkörper. „Schlampe! Das wirst du bezahlen!“
Ihr geschlitzten Augen erkannten sein Vorhaben, fast mühelos wich sie aus. Ihre jetzt spitzen Ohren hörten jede kleinste Bewegung, jeden Tropfen Blut, den seine Füße aufwirbelten. Die Form des Jägers. Eine Blutkraft, die den Verfluchten verwehrt war. Schließlich blieb er stehen. Beide taxierten sich und waren außer Atem.
„Nun gut!“, keuchte er.
„Wenn ich dich so nicht töten kann, dann eben so!“
Und mit diesem Wort hob er das Schwert, rammte es in die Steinplatten und trat einen Schritt zurück. Das Schwert schmolz, vereinigte sich mit dem Blut der Toten. Und als es nicht mehr vorhanden war, zog das kochende Blut sich zurück, floss durch Wunden wieder in die Körper.
Und dann. Dann erhoben sich die Toten. Sie wich zurück, aber dann griff sie an. Er stand nur daneben und sah zu, wie sie sich abmühte, die Toten zu töten. Immer wieder erhoben sich die Körper. Irgendwann blieb sie stehen, mit gesenktem Kopf, konzentriert auf den Boden unter sich starrend.
„Was ist? Gibst du etwa schon auf?“
Hämisch bohrten sich die Worte in ihren Kopf. Die Toten hatten sie bereits umzingelt.
„Du Narr!“
Sie sah nicht auf.
„Glaubst du wirklich, dass sich eine Untote von Toten aufhalten lässt. Bist du wirklich so verrückt zu glauben, dass ich gegen DICH verlieren würde?“
Er hob eine Augenbraue.
„So? Dann sag mir, was du jetzt vor hast.“
Sie lächelte, warf das Haar zurück, sah ihn direkt an.
„Das!“
Und mit einer einzigen Handbewegung aktivierte sie alle Bannkreise, die sie mit ihren Klauen in die Körper der Toten geschlagen hatte.
Sein Vater hielt nichts davon, ließ dem jungen aber seine Fantasie. Und nun zeigte der Opa ihm ein reales, echtes Schwert, dass er selbst als Gesellenstück angefertigt hatte, neben ein paar anderen Dingen. Und das er versteckte, damit die einen Leute nicht auf dumme Gedanken kamen und die anderen nicht schlecht darüber reden konnten, wie sehr er die ruhmreiche aber vergangene Geschichte seiner Familie verehrte, die, seinen Erzählungen nach einmal bekannt für ihre guten Schwerter gewesen sein sollten. Im Anschluss an solche Geschichten fluchte der Großvater dann immer über die billige und neumodische Qualität des Stahls.
Der Mann blinzelte und befand sich schließlich wieder in der Gegenwart, auch wenn die Stimme seines Opas ihn noch eine weile begleitete. Entschlossenheit und eine wilde Idee stiegen in ihm auf und so verbrachte Alistair Angel den Rest des Tages mit der Suche nach einem Hammer oder einem als solches zu gebrauchenden Gegenstand. Kurz bevor die Sonne unterging wurde er in einem ehemaligen Geschäft für Bauzubehör fündig, auch wenn sein Werkzeug etwas beschädigt aussah und ganz gewiss nicht zum Schmieden gedacht war. Eine Auswahl Zangenartiger Gegenstände nahm er ebenfalls mit und fühlte sich ein wenig wie ein Dieb, als er an der zerstören Kasse vorbei stieg. Im licht der brennenden Trümmer schleppte er verschiedene Metallstücke an in besonders heiß brennendes Feuer und nutzte dann einen großen Betonklumpen, oder was auch immer das verkohlt etwas war, als Amboss.
Die ganze Nacht echote das Hämmern durch die zerstörte Stadt, ab und zu begleitet von einem Wutschrei, wenn das Stück Eisen, dass er bearbeitete zerbrach und er seinem Großvater recht geben musste. Völlig am Ende und erschöpft hatte er gegen Morgengrauen wenigstens etwas hergestellt, dass wie eine Klinge aussah. Mit viel Fantasie. Etwas Seil und ein Paar zerrissene Klamotten halfen ihm dabei sich Werkzeuge umzuschnallen und den schweren Hammer auf dem Rücken zu tragen. Nach einem kurzen Imbiss und schmerzenden Fingern, da er die Bohnendose nicht sofort aufbekommen hatte, zog er weiter. Diesmal war er auf der Suche nach etwas, dass sich zum Schleifen eignete. Hier und da probierte er es mit gefundenem Schleifpapier. Eine ziemlich große Rolle davon steckte unter einem Metallträger, aber diese war, zu seinem Ärger, nur für Holz geeignet.
Wenn er nur wüsste wo es etwas für Stahl gäbe, oder wie er sich einen primitiven Schleifstein bauen könnte, wäre er wohl schon etwas weiter. Alistair wusste weder wo er sich befand, er hatte sich schon kaum in dieser riesigen Stadt orientieren können, noch wohin er ging. Deshalb war er auch ein wenig überrascht, als er feststellte, dass er in gebiete kam, die weniger dicht besiedelt waren und womöglich eher am Rande des Stadt gelegen waren. Hier fand er mehr Nahrung als er tragen konnte, da der Einschlag der Meteoriten oder Bomben, er nahm an, es sei so etwas gewesen, weniger schlimmen Schaden angerichtet hatte. Aber trotzdem war nirgendwo eine Menschenseele zu sehen. Das Einzige lebendige was ihm begegnete war ein Hund der in den Trümmern an einer Leiche zerrt um das Fleisch von den Knochen zu lösen. Angewidert wandte der Mann den Blick ab.
~
"Vergiss nie Alistair. Es ist unsere Bestimmung zu schmieden. In unseren Adern Fließt Feuer und unsere Knochen sind aus Stahl! Unsere Stärke ziehen wir aus der Hitze der Schmiede und unserer eisernen Entschlossenheit. Dies ist unser zuhause unsere Heimat. Und egal wo wir sind oder was wir tun, egal was wir durchmachen wir werden nie vergessen wer wir sind und wo wir hingehören. Versprich mir, dass du dies in deinem Herzen einschließt, dann wirst du unser erbe weitertragen."
Der kleine Alistair nickte stumm, nachdem er mit offenem Mund seinem Großvater gelauscht hatte.
"Und nun..:", begann der alte Mann und sah nun wieder freundlich wie immer drein, nicht mehr so ernst wie vorhin.
"Nun mein junge, werde ich dir alle Geheimnisse unserer Zunft enthüllen."
Er zwinkerte dem kleinen jungen zu, der bereits unruhig vor Aufregung von einem auf den anderen Fuß hüpfte und versucht ja bloß alles genau mitzukriegen. Es kümmerte ihn nicht einmal, dass er sich in den folgenden stunden mehrmals die Finger verbrannte, oder, dass er sich ständig mit den rußigen Fingern ins Gesicht fasste. Er machte sich nicht einmal Sorgen darum, was seine Mutter sagen würde, sähe sie ihn so verdreckt und mit den ganzen Brandlöchern in Hose und T-shirt.
Am Ende der Ferienwoche war sein Vater sauer auf Opa, seine Mutter hatte aufgegeben ihn jeden Abend zu baden bis er wieder sauber war und sein Opa war stolz auf seinen Enkel.
"Ganz unser Blut", hatte er gemeint und dem stolzen jungen den Kopf getätschelt, der seiner Mutter zeigte was für ein wunderschönes Hufeisen er gemacht hatte.
Das kleine Kurzschwert lag gut eingeschlossen und versteckt in Opas Kiste. Ein Geheimnis nur zwischen den beiden. Ein Geheimnis zwischen zwei Engelsschmieden, hatte Opa gesagt. Und eines Tages würde Alistair sicher ein eigenes, hervorragendes Schwert schmieden. Eine Klinge so scharf und unzerbrechlich wie es zuvor noch keine gegeben hatte.